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Aktuelle Seite: Gesellschaft/Zwangspsychiatrie in der DDR (1) |
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>> Zwangspsychiatrie in der DDR Tabuisierung in der Bundesrepublik
7.11.2006 Schon im Einigungsvertrag finden sich die Wurzeln inkonsequenter Aufarbeitung der DDR-Verbrechen und seiner Kader. Auf die Verbrechen in Zusammenhang mit der Zwangspsychiatrie in der ehemaligen DDR wird der Bundestag nunmehr über einen längeren Zeitraum hingewiesen. In Schreiben an die Fraktionen und in Gesprächen mit Abgeordneten, sowie Schreiben an die Ausschüsse für Menschenrechte, Inneres und Recht wurde das Thema angesprochen. Am 10.11.2006 soll die Novelle des Stasi-Unterlagengesetzes verabschiedet werden. In dem Entwurf heißt es: Die Tatsache einer Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst darf dem Mitarbeiter ... im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten werden". (Berliner Zeitung vom 2.11.06). Prof. Weberling (Historiker und Medienrechtler) befürchtet, dass Gerichte dies als "allgemeine Wertung des Gesetzgebers" ansehen und somit auch publizistische Texte erschwert würden. Keiner würde auf die absurde Idee kommen, Opfern des NS-Verbrechen abzuverlangen, über ihre Täter Stillschweigen zu wahren, sie nicht zu benennen und eine Verurteilung zu vereiteln. Das unter dem Vorwand des Rechtsfriedens. Rechtsfrieden für die Täter? Das kann die Demokratie nicht wollen. Während des Verfassens dieses Artikels erreicht mich die Nachricht einer möglichen Verlängerung der Überprüfungen für 5 Jahre. Wir werden es sehen und den Gesetzestext auf seine Auslegbarkeit präzise zu überprüfen haben. Eben gerade im Interesse des Rechtsfriedens und der demokratischen Spielregeln, nicht zum Täter,- sondern zum Opferschutz.
Martin Sachse
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Der Fall Christain Rossow ist einer der ungeklärten Fälle, bei dem die mir bekannten Fakten und Unterlagen auf einen Zusammenhang mit einer Zwangspsychiatrisierung und oder Zersetzungsmaßnahmen hinweisen.
Foto: Martin Sachse
Hinweise zum Verbleib und den Todesumständen von Christian Rossow bitte per Mail an :bbild//text//medien
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Zum Thema: Durch die Recherche eines Einzelfalles hat sich eine unerwartete Dimension des Themas ergeben. Dank gilt der Tätigkeit der "Walter-von-Baeyer-Gesellschaft für Ethik in der Psychiatrie", die an vielen Einzelfällen die Systematik des Psychiatriemissbrauchs in der DDR herausgearbeitet hat. In einem von dieser Gesellschaft herausgegebenen
Rundbrief 1/04 heisst es: "Verharmlosend waren die offiziellen Verlautbarungen zum Thema nach der Wende. Teilweise wirkten die staatlichen Nachuntersuchungen wie Alibi-Veranstaltungen. Die Aussage des Stasi-Obergutachters Prof. Ochernal, des Leiters der forensischen Psychiatrie an der Humboldt-Universität Berlin bis 1988, der 1991 im STERN sagte, er habe im Auftrag der Stasi jährlich 30-40 Gutachten erstellt - "die meisten Fälle waren politisch" - diese schaurige Aussage spielte Süß für die Gauck-Behörde in Ihrem Buch POLITISCH MISSBRAUCHT? (S. 69) ohne weitere Erklärung mit der Bemerkung herunter, sie sei ihm "von der Stern-Journalistin Uta Knig in den Mund gelegt worden."
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Haus "213", Berlin-Buch
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Chronik der Recherche:
per Mail vom 10. Feb. 2005 17:07 ...Aus einer uns vorliegenden Karteikarte geht lediglich folgendes hervor: Rossow Christian geb, 24.12.53 wurde am 4.8.1978 in Bulgarien verhaftet. Das StG Berlin verurteilte ihn nach §§ 213(1),159,161 zu 1,10 Jahren. Berufung: 15.12.78...
DER GENERALBUNDESANWALT BEIM BUNDESGERICHTSHOF / 7. März 2005 ...die juristische und verwaltungstechnische Auflösung der Dienststelle des Generalstaatsanwaltes der DDR wurde mit Ablauf des Monats Dezember 1990 abgeschlossen. Die Register, Verfahrensakten - soweit sie nicht an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet worden sind - und sonstigen Unterlagen wurde an das Bundesarchiv ... abgegeben. .. Ich bin daher nicht in der Lage, auf Ihr Schreiben etwas zu veranlassen und kann nur anregen, sich an das Bundesarchiv zu wenden.
BUNDESARCHIV / 15.3. 2005
STRAFAKTE / VERURTEILUNG u.a. wegen Republikflucht/Versuch
(über Bulgarien) Verurteilung gem. §§ 213, 159 StGB,
Stadtgericht Berlin, 103 BSB 1379/78 221-756-78.04 Amnestie 24. September 1979, Entlassung 4.12.79
Meine Vermutungen in Bezug auf den Ort der psychiatrischen Behandlung hatten mich zuerst auf das Haus 213 in Berlin-Buch aufmerksam gemacht, von dem Fälle der Zwangspsychiatrisierung beschrieben werden. Informationen zum Aufenthalt von Christian Rossow dort erhielt ich zunächst nicht. Es wurde mitgeteilt, das die Akten der strengen Geheimhaltung unterliegen, resp. nicht mehr vorliegen. Die Einrichtung gehört heute zum Maßregelvollzug Reinickendorf - das Krankenhaus des Maßregelvollzuges IV, Abt. für Forensische Psychiatrie. Nachdem mir zuerst Fotoaufnahmen verwehrt wurden, konnte ich diese dann doch vom Haus 213 machen. (Siehe Foto rechts)
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Weitere Erkenntnisse: Wie oben beschrieben, wurde Christain Rossow jedoch im Fachkrankenhaus für Neurologie und Psychiatrie Herzberge behandelt. Ein zeitweiliger Aufenthalt im Haus 213 kann wegen fehlender Aussagen weder dokumentiert noch belegt werden. Eine anonyme Quelle hat mir per Mail folgende Informationen zum Haus 213 übermittelt. Ich hatte die Quelle gebeten, mir die Belege für die dort beschriebenen Vorgänge zu überlassen, was nicht geschah. Ob Angst oder andere Gründe hierbei entscheidend waren, ist nicht nachvollziehbar. So geht aus dem Inhalt eine Kenntnis des Ortes hervor, als Beleg könnten jedoch nur die angedeuteten Beweismittel herangezogen werden. Die Quelle hat sich nicht mehr gemeldet. Auszüge des Wortlautes dieser Mail: Zunächst zu meinem Hintergrund: (Ende der Mail) Im weiteren Verlauf der Recherche hatte ich mich dann an die Königin Elisabeth Herzberge in Berlin gewandt, da ich davon ausgehen konnte, dass Herr Rossow wenigstens zeitweise dort behandelt wurde. Die KEH hat die Akten ab 1945 archiviert, was mir eine interne Quelle mitteilte. Der Ärztliche Direktor, Prof. Dr. med. Schulte teilte in einem Schreiben vom 7. Juni 2005 mit: "Ihrem Schreiben kann ich leider nicht entnehmen, welche konkreten Hinweise Sie von uns erwarten und wozu Sie diese verwenden wollen (die journalistische Recherche ging aus meinem Schreiben deutlich hervor, Anm. der Autor). Ich kann Ihnen lediglich die Angaben des Bundesarchives bestätigen, daß Herr Rossow im damaligen Fachkrankenhaus für Neurologie und Psychiatrie Herzberge im Jahre 1980 stationär behandelt wurde. Sollten Sie eine Einblicknahme in die Behandlungsdokumentation des Herrn Rossow in Erwägung ziehen, muss ich Ihnen mitteilen, daß dazu nach Darlegung eines plausiblen Grundes nur amtlich bestätigte Erben berechtigt sind...." (Zitat Ende)
Ich werde das Gefühl nicht los, dass man mir nicht weiterhelfen möchte. Es wird wohl die Aufgabe von Journalisten, Autoren und Wissenschaftlern im Interesse der Aufklärung nach demokratischen Grundsätzen sein, diese Vorgänge erneut aufzugreifen und deatailliert zu klären. Im Falle Christian Rossow heisst das. Endgültige
Klärung der Umstände und Beweggründe des Selbstmordes
oder der Todesursache! |
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Noch einige Fakten zum Verschwinden von Herrn Rossow. B. hatte Christian Rossow im oben beschriebenen
Zeitraum völlig aus den Augen verloren. "Wir hatten uns
am Tag "X" verabschiedet, wie immer sehr herzlich. Dann
galt er für mich als vermisst. Freunde beschrieben die Einweisung
in eine psychiatrische Einrichtung, so Besucher des Szene-Cafes
Posthorn in Ost-Berlin, wo sich auch viele Oppositionelle der ehem.
DDR aufhielten. Später erhielt ich anonyme Anrufe und auch
Drohungen, die ich Christian Rossow zuordnen konnte. Über Wochen
waren es anonyme Anrufe, ohne verbale Äußerungen. Es
wurde nach einigen Sekunden aufgelegt. Atmen war zu vernehmen. Dann
kam es zu Anrufen mit folgenden Äußerungen: B. ging damals davon aus, dass die Stasi Christian Rossow mitteilte, er hätte ihn in irgendeiner Form verraten. Das war aber nicht möglich, denn von den erst jetzt ihm bekannt gewordenen Fluchtplänen wusste er damals nichts. Und gewiss hätte er seinen Freund nicht dem politischen Gegener ausgeliefert. Vielmehr hätte er seine Pläne geteilt. Da die bedrohlichen Anrufe fortgesetzt wurden und B. auch seine Person zu schützen hatte, erstattete er Anzeige bei der zuständigen Direktion der Polizei. Ohne Ergebnis. Daraufhin wurde B. im Ministerium des Innern der DDR in der Mauerstrasse vorstellig, wo ihm, die Frage gestellt wurde, wie denn eine mögliche tätliche Auseinandersetzung mit Christian Rossow ausgehen könnte. Es war zu erkennen, dass die Mitarbeiter den Vorgang und seine Brisanz gut kannten. Sie beschrieben auch die stationäre Aufnahme von Herrn Rossow in eine psychiatrische Einrichtung, ohne Gründe zu benennen. Sie hätten den Fall nicht persönlich bearbeitet. Zu einem späteren Zeitpunkt berichtete der ABV (Kontaktbeamter im heutigen Sinne) B. vom Tod des Christian Rossow, er konnte oder wollte aber keine Einzelheiten mitteilen. Es bleiben viele Fragen offen, welche zu klären sind. Die Geschichte wird erst dann ruhen können. Im weiteren werden hier auch Fälle dokumentiert werden, welche der Walter-von Bayer-Gesellschaft für Ethik in der Psychiatrie vorliegen. Für die Unterstütung durch diese Gesellschaft gilt mein persönlicher Dank. Der Vorstand Dr. Weinberger bat mich, die Fakten zusammen zu stellen, was hiermit geschieht. |